Der Informatiker Manuel Bork kannte seine Mitgründer schon einige Jahre, bevor das Team 2008 „Yatta Solutions GmbH“ gründete. Nach dem EXIST-Stipendium haben die Gründer eine Beteiligung des High-Tech-Gründerfonds (HTGF) akquiriert. Im Gründerblog erzählt Manuel, wieso sie die Kofinanzierung aus Eigenmitteln aufgebracht haben, wieso der Verkauf des Unternehmens nie eine Option für sie war und wie sie sich im Team organisieren.
Wie ist die Gründungsidee von Yatta entstanden?
Yatta hilft Unternehmen dabei, Software richtig zu bauen. Das heißt, wir sind Softwarehaus und Technologiedienstleister.
Unsere Produkte und Dienstleistungen werden überall dort eingesetzt, wo Software entwickelt wird: in der Kfz-Entwicklung, in der Medizintechnik, bei Banken und Versicherungen, aber auch von sehr, sehr vielen Start-Ups und anderen Tech Companies.
Am Anfang stand die Idee: „Softwareentwicklung? – Das geht besser!“
Damit haben wir uns schon als Wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Software Engineering von Prof. Albert Zündorf beschäftigt. – Heute heißt es: „Daten sind das neue Öl – und Software ist der Motor!“ Software verändert inzwischen in allen Branchen und Industrien unser Zusammenleben und unsere Arbeit. Man denke nur an Google und Facebook! Und dahinter stehen halt Teams mit Know-how und Technologien.
Es war klar, dass sich dafür der Markt weiterentwickeln würde. Und mit unserem Team aus dem Fujaba-Forschungsprojekt wussten wir, dass wir dazu etwas beizutragen haben.
Einige aus Eurem Gründerteam haben ein EXIST Seed/Gründerstipendium bekommen. Wie haben sich die anderen Teammitglieder finanziert?
Stimmt, durch das EXIST-Gründerstipendium wurde uns zu dritt vor allem die wichtige Vorgründungsphase, also die Vorbereitung unseres Start-Ups, finanziert. Die übrigen – der größere Teil des Teams! – haben sich währenddessen zunächst neben ihrem Job eingebracht.
Zur Gründung von Yatta hatten wir dann schon die wichtige Beteiligungszusage unseres Venture Capital-Investors. Da konnten wir dann alle voll einsteigen und Gas geben.
Im Anschluss an die EXIST-Förderung habt ihr eine High-Tech-Gründerfonds-Finanzierung bekommen.
Richtig, der HTGF hat 500.000 EUR in Yatta investiert und dafür 15% Beteiligung erworben. Mit den Mitteln haben wir vor allem unsere Produktentwicklung und unseren Markteintritt finanziert. Seitdem haben wir uns aber auf unsere eigenen Stärken besonnen und das Unternehmen bis heute organisch weiterentwickelt. Seit 2014 sind wir Break-Even, finanzieren uns also durch die gute Arbeit für unsere Kunden – und das Beste daran: Wir Gründer und Mitarbeiter halten noch 85% von Yatta!
Der Hintergrund: Der Verkauf des Unternehmens war für uns nie ein Ziel – bis heute nicht. Das ist aber für Venture Capital-finanzierte Tech Start-Ups vielleicht eher untypisch… Dennoch hat unsere Investmentmanagerin Romy Schnelle, heute Investmentdirektorin und Prokuristin des HTGF, stets an Yatta und unser Team geglaubt und uns bei allem (auch über die finanzielle Investition hinaus) aktiv unterstützt. Kurz gesagt: Mit dem HTGF hatten wir den für uns idealen Partner für unseren nachhaltigkeitsorientierten Businessplan.
Was rätst Du Teams, die sich bewerben wollen?
Ganz klar: Es ist super wertvoll, sich zunächst mit anderen Gründern auszutauschen! Davon haben wir damals stark profitiert, und deshalb geben wir das heute auch gerne in die Gründercommunity zurück. Denn ein Investor bringt nochmal eine ganz andere Perspektive rein. Als Gründer bist du natürlich von deiner Idee voll überzeugt, klar. Aber man sollte sich halt vor dem Treffen mit einem Investor mit erfahrenen Leuten über die kritischen Punkte austauschen: Gibt es wirklich den Markt? Skaliert das Geschäftsmodell? Wie stehen die Wettbewerber dazu? Reicht die Finanzierung? Gibt es zum Thema gerade einen Hype, oder muss man noch gegen Widerstände ankämpfen? Ist das Team gut aufgestellt? Sind die notwendigen Kompetenzen da? Was sind die „notwendigen Kompetenzen“ eigentlich? Und dann zur Darstellung: Ist die Story überzeugend? Macht der Pitch Lust auf mehr? All dies wird der potentielle Investor challengen – darauf muss man vorbereitet sein.
Wovon habt Ihr als Team – neben dem Geld – profitiert?
Der HTGF ist inzwischen der größte Venture Capital-Investor für die Frühphasenfinanzierung von Tech Start-Ups in Deutschland. Es gab beim HTGF über 900 Folgefinanzierungsrunden – und das Portfolio reicht von Consumer-Märkten (wie dem Brillenanbieter Mr. Spex) über Software-Unternehmen wie uns bis hin zu Bio-Tech-Unternehmen. Da hat der HTGF natürlich ein sehr großes Netzwerk – und auch selbst viel Erfahrung, wie man Teams steuert und Erfolge misst. Davon haben wir in unserer Entwicklung sehr profitiert.
Das gilt für Veranstaltungen wie den HTGF Family Day und die High-Tech Partnering Conference, aber gerade auch für den regelmäßigen Austausch mit Romy Schnelle. Sie hat halt viel mehr Unternehmen gesehen als wir Gründer alle zusammen – da wäre es fahrlässig, diese Expertise nicht auch zu nutzen!
Hattet Ihr einen Side Investor?
Mit Yatta hatten wir neben den Gründern keinen weiteren Side Investor neben dem HTGF. Wir hatten die ersten Kunden schon während des EXIST-Gründerstipendiums von unserem Produkt überzeugt – und dann haben wir entschieden, neben den 500.000 EUR vom HTGF auch aus dem Gründerkreis etwas über 200.000 EUR in Yatta zu investieren. Dieses Commitment war damals für den Erfolg und auch für den Team-Zusammenhalt sehr wichtig.
Das war ja sehr viel Geld, das Ihr als Gründer kurz nach der Uni aufbringen musstet.
Natürlich, das war erstmal viel Geld für uns, aber die Rechnung ist eine andere: Ich als Gründer tätige eine hohe Investition, und zwar ist nicht nur dieses Geld, sondern ich investiere in den nächsten 3-5 Jahren viel mehr: Wir alle haben gute Abschlüsse gemacht, viele von uns haben promoviert, wir hätten uns gutbezahlte Jobs suchen können. Deshalb ist das Geld, das wir anfangs eingebracht haben das eine, die viel größere Investition ist aber das entgangene Gehalt.
Für uns war dieses von uns eingebrachte Eigenkapital aus zwei Gründen sehr wichtig: Erstmal war es ein wichtiges Commitment gegenüber dem HTGF und zweitens hat es die Finanzierungslücke zur Selbständigkeit geschlossen. Der HTGF kann uns nicht en-bloc verkaufen wie bei anderen Portfolio-Unternehmen. Für dieses Zugeständnis des HTGF war unser Anteil ein wichtiges Argument.
Kannst Du den Prozess grob beschreiben? Welche „Hausaufgaben“ sollten Teams, die sich bewerben, bereits erledigt haben? Wie habt Ihr Euch vorbereitet?
Der Beteiligungsprozess des HTGF sieht in etwa so aus:
1. Einreichen des Businessplans durch das Start-Up
2. Bewertung durch ein oder zwei HTGF-Investmentmanager und bei Interesse Unterzeichnung eines Term Sheets (Anmerkung: Vorvertrag)
3. die Due Diligence, also die Detail-Analyse und Bewertung des Businessplans. Die erfolgt in der Regel durch die Investmentmanager mit dem Gründerteam, aber auch durch externe Gutachter
4. Verhandeln des Gesellschaftervertrages und Definition der Meilensteine/Ziele für das Start-Up – denn in der Regel wird die Investitionssumme nicht auf einen Schlag, sondern nur der Zielerfüllung entsprechend ausgezahlt
5. Präsentation vor einem der HTGF-Investmentkomitees. Hier sitzen zwar auch Vertreter des HTGF, aber vor allem auch Vertreter der Investoren vom HTGF selbst und externe Experten wie zum Beispiel Serial Entrepreneurs oder Unternehmer aus derselben Branche.
6. Und wenn alles gut gelaufen ist: Unterzeichnung der Gesellschafterverträge vor dem Notar!
Das Wichtigste ist natürlich die Vorbereitung im Vorfeld. Im Prinzip sollte man vorher schon seine Hausaufgaben gemacht haben. Und genau dafür ist auch ein guter Coach als Sparringspartner sehr wichtig! Wir haben in den Verhandlungen mit dem HTGF – und auch für die Entwicklung des Businessplans – einen kritischen und erfahrenen Coach hinzugezogen: Markus Czener aus Berlin. Das war wichtig, um hier auch die Weichen richtig zu stellen.
Im Laufe des Beteiligungsprozesses werden sicher auch nochmal die Ziele Thema, wie also die Meilensteine aussehen müssen. Das ist natürlich besonders wichtig und hat operativ immensen Einfluss: Hiermit wird vereinbart, in welche konkrete Richtung sich das Unternehmen entwickeln soll, welche Ergebnisse auf diesem Weg erreicht werden müssen und wie die Finanzierung trägt.
Natürlich ist jedem bewusst, dass sich die Zukunft nicht in einer Glaskugel vorhersehen lässt und dass sich Pläne ändern. Trotzdem ist das Controlling, also die Überprüfung von Zielen und Zielerreichung, immens wichtig. Hier braucht es eine gute Mischung aus „Beinfreiheit“ und Zielanspruch – am besten nach dem SMART-Prinzip [vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/SMART_(Projektmanagement)].
Was waren wichtige Meilensteine?
Die wichtigsten Ziele nach der Produktentwicklung sind die Erfüllung bestimmter KPIs, bei uns zum Beispiel Anzahl Betatester, Anzahl User und konkrete Umsatzziele.
Das heißt, der HTGF achtet auch wie jeder andere Investor darauf, dass sich das Unternehmen möglichst bald selbst tragen kann, indem es sich am Markt behauptet.
Es gibt aber mitunter bei einigen Start-Ups auch weiche Ziele, wie zum Beispiel die Ergänzung und Erweiterung des Gründerteams durch erfahrene Unternehmer und Manager. Häufig haben zum Beispiel Teams direkt aus der Uni keine Branchenerfahrung oder keine Marketing- oder Sales-Erfahrung. Das muss man dann natürlich ergänzen.
Ihr habt Standorte in Kassel und in Frankfurt. Wie organisiert Ihr die Zusammenarbeit im Team?
Für Yatta ist die agile Lern-Kultur das Wichtigste. D.h. wir arbeiten in den agilen Teams nicht organisationszentriert, sondern zielorientiert. Jedes Team legt dann seine interne Organisation selbst fest (z.B. Daily Stand-up Meetings oder Weekly Meetings) – und ebenso die Schnittstellen zu den anderen Teams. Wer in welchem Team mitwirkt, entscheidet sich dann nach Engagement und Kompetenz – das ergibt sich dann fast von allein.
Für uns als Gründer und in der Geschäftsleistung ist es dann vor allem wichtig, das Team zu enablen. Das heißt zum Beispiel, ein hohes Maß an Transparenz zu gewährleisten und viel in Weiterbildung, Mentoring und schnelle Tools und gute Kommunikation zu investieren!
Wir besprechen jedes Jahr den Jahresabschluss mit allen Details und allen Zahlen im ganzen Team. Außerdem erstellt unser Team eine eigene Jahresplanung für das nächste Jahr. Das ist also nichts, was die Geschäftsleitung vorsetzt! Wir bilden uns im Team weiter – bei Leadership, Sprach- oder Finanzkenntnissen, aber auch im Projektmanagement oder technischen Skills. Hier ist es wichtig, state of the art zu sein.
Um unseren Anspruch auch in der Qualität umzusetzen, verfolgen wir ein Vier-Augen-Prinzip – aber nicht im Über-Unterunterordnungsverhältnis, sondern im Miteinander! Pair-Review hat sich bei uns zum Beispiel in der Softwareentwicklung sehr bewährt. Unsere Philosophie ist: Fehler passieren, und das ist auch ok, aber wir müssen daraus lernen – und im Team stetig besser werden!
Wie seid Ihr heute aufgestellt? Wie organisiert Ihr die Zusammenarbeit an Euren beiden Standorten Kassel und Frankfurt?
Wir wachsen weiter und wir erweitern und verstärken unser Team. Kürzlich hat zum Beispiel Ronen als Designer unser Team verstärkt. Er war bis vor kurzem Head of Design von Runtastic und zuvor als Brand Designer für das ZDF tätig. Und wir investieren weiter in beide Standorte! Das ist uns wichtig. Kassel ist der Hauptsitz – ohne Frage, aber auch Frankfurt ist uns wichtig.
Außerdem arbeiten wir beständig an unserer Infrastruktur. Wir setzen Tools wie Slack, Skype, Jira, Confluence, etc. ein, hosten unsere Online-Produkte auf einem CDN [Hinweis: hoch-verfügbares Conent Delivery Network auf Cloud-Basis] und entwickeln auch unsere Programme weiter.
Das gilt auch für den Gesellschafterkreis. Im letzten Jahr haben wir – mit Zustimmung des HTGF – Freddy in den „Gründerkreis“ mit aufgenommen. Hier ein Link zu einem Interview mit ihm.
Wie löst Ihr schwierige Situationen? Euer Erfolgsgeheimnis?
Also, erstmal: Jedes Start-Up hat auch echte Herausforderungen, an denen man zu beißen hat. Es gab auch bei uns sicher nicht nur gute Zeiten!
Zwei Punkte:
Zum einen sind wir als Team sehr breit aufgestellt. Wir glauben nicht an Silos, wir arbeiten gemeinsam an unseren Zielen. Und wir ergänzen uns auch fachlich wie persönlich sehr, sehr gut! Als Johannes, CEO und Co-Founder von Yatta, letztes Jahr einen Unfall hatte und deshalb mehrere Wochen ausfiel, haben wir das als Team auffangen können. Ich denke, das ist für ein Start-Up auch nicht selbstverständlich, aber uns sehr wichtig: Bei Yatta steht niemand allein!
Zum anderen sind wir sehr offen und direkt zueinander. Das ist zwar auch hart – und muss man als Neueinsteiger auch erstmal lernen, aber wir glauben daran, dass wirklich großartige Dinge erst im Diskurs, im Ringen um die beste Lösung entstehen. These – Antithese – Synthese. Oder auch: Emergenz. Wir kennen das aus der Natur oder der Chemie. Dieses Prinzip hilft uns, uns nicht zu verrennen, stets einen klaren Blick zu haben und im Team auch immer besser zu werden.
War Gründen immer schon eine Option für Dich?
Für mich persönlich ja, absolut. Mein Vater war selbstständiger Handelsvertreter – davon habe ich einiges mitgenommen: selbstständiges Handeln, unternehmerisches Denken, Risiko- und Chancenbewusstsein etc. Schon neben dem Studium hatte ich mit Freunden eine GbR für Webhosting und -entwicklung.
Was sollten Teams bedenken, die sich auf Investorensuche machen?
Puh, hier gibt es natürlich eine Menge zu sagen. Ich denke ganz besonders wichtig ist zuvor der Austausch mit erfahrenen Unternehmern und Gründern.
Sobald man erst gegründet hat, bleibt nicht die Zeit alles nachzuholen, was man noch nicht als Unternehmer, Manager und Führungskraft, aber auch als Verkäufer, Gestalter und Entwickler zu lernen hat. Da ist es gut, wenn a) das initiale Setup passt und b) man von den Erfahrungen anderer lernen kann.
Generell meine ich aber, dass Gründerteams aus der Uni auch Leute mit Erfahrung an sich binden sollten. Das beschleunigt die Lernkurve ungemein – und man vermeidet Fehler, die auch schnell die Existenz als Gründer gefährden können.
Welchen Tipp hättest Du gerne früher bekommen?
Hahaha! Da gibt es einiges!
1. Die Pionierzeit war toll! Es macht auch einiges leichter, wenn man noch nicht weiß, was man alles nicht weiß!
2. Wenn wir neu starten würden, würden wir natürlich vieles anders, besser machen! Sicher wären wir dann wesentlich effizienter.
3. Aber ich würde mich definitiv auch nicht anders entscheiden: Mit dem Team wäre ich immer wieder bei Yatta dabei!