Prof. Heidi Möller: „Gründungsdrang und Innovationszwang“ – Wie kann Gründungscoaching noch effektiver werden?



Am 23/24. Februar 2018 findet im Science Park Kassel der Kongress “Gründungsdrang und Innovationszwang” statt.
Bei diesem Kongress möchten Sie Gründer_innen, Gründungsberater_innen und Coaches zusammenbringen. Worum geht es dabei?
Die Person des Gründers/ der Gründerin ist die zentrale Variable für einen erfolgreichen Gründungsprozess. Deshalb sollte dieser Aspekt neben der Gründungsidee und Fragen der Finanzierung auch in der Gründungsberatung eine Rolle spielen.
Gemeinsam mit Frau Professor Rosing vom Lehrstuhl “Unternehmerisches Denken und Handeln” haben wir mit Unterstützung von Isabell Diermann das Forschungsprojekt Gründungscoaching gestartet. Aus unseren bisherigen Untersuchungen wissen wir, dass Coaching wirkt, aber wir wissen eben bislang nicht, ob Gründer ein besonderes Coaching brauchen. Und wenn ja, was ist dieses ganz Besondere? Darüber und über vieles den Gründungsprozess Betreffendes mehr wollen wir uns in Vorträgen, Workshops und “Live-Zones” austauschen.

Sie haben im vergangenen Jahr auf Initiative des Science Park Kassel das Weiterbildungsseminar “Gründungsberater als Coach” angeboten.

Ja, das Seminar werden wir auch im Juni 2018 wieder anbieten. Denn Gründungsberater_innen haben die Besonderheit, dass sie aus vielen unterschiedlichen Berufen kommen. Manche sind Ökonomen, andere Gesellschaftswissenschaftler, wieder andere Naturwissenschaftler oder Ingenieure. Diese unterschiedlichen Menschen haben unterschiedlichste Kompetenzen, Fachwissen und Expertise, aber kein Beratungswissen. Also: Wie steuert man den Beratungsprozess? An welchen Stellen sollte man konfrontieren? An welchen Stellen sollte man unterstützen? Durch meine Professur “Theorie und Methodik der Beratung”, wissen wir, was nützliche Beratung ist und was nicht so nützliche Beratung ist. Wir wollen das hier in Kassel vorhandene Wissen über Beratung mit der Expertise der Gründungsberater_innen zusammenbringen, um die Gründer_innen optimal zu unterstützen. Das ist auch der Hintergrund für den Kongress, bei dem sich alle drei Gruppen treffen sollen: Gründer_innen, Berater und Gründungsberater_innen.

Während des Kongresses bieten Sie eine Reihe unterschiedlicher Formate an, z.B. öffentliche Live-Coachings, Vorträge und Workshops. Was erwartet die Teilnehmenden?
Es geht bei Gründung auch um das Thema “Innovation”, das möchten wir auch bei unserem Kongress aufnehmen. Also gibt es innovative Beratungsformate. Eins sehr schönes ist die “Coaching-Zone” die am Freitag als Auftakt stattfindet und separat gebucht werden kann. Hier werden Gründer und andere Kunden gecoacht. Auf der einen Seite coachen erfahrene Berater, auf der anderen Seite können die Teilnehmenden durchs Zuschauen lernen. Deshalb ist es sowohl für Gründer als auch für Gründungsberater interessant. Denn ich lerne ja auch, wenn ich zugucke. Der Kongress hat auch einen öffentlichen Teil am Freitag Abend, in dem Thomas Landgraf, der mit enercast bereits sein zweites Unternehmen gegründet hat, seine Gründerstory vorstellen wird.

Mit welchen Themen geht es am Samstag weiter?
Es wird sowohl wissenschaftlichen Input von Fachleuten geben als auch Workshops, an denen sich alle beteiligen können. Martin Seip wird sein Diagnosetool, den Gründerkompass – Habe ich das Zeug zum Unternehmer. vorstellen. Neben verschiedenen Faktoren, wie z.B. Teamdynamik, Markt und Umfeld, gibt es Erfolgsfaktoren, die in der Person des Gründers liegen. In diesem Bereich stellt sich die Frage nach der Entwicklung eigener Kompetenzen: Woran kann ich noch arbeiten, um meine Kompetenzen zu verbessern? Sei es, dass es um das Auftreten bei einer Bank geht oder dass ich plötzlich Führungsaufgaben habe. Auch wird es einen Vortrag von Pierre-Pascal Urbon, Vorstandssprecher der SMA, geben, der von seinen Erfahrungen aus dem Silicon Valley berichten wird.

Ein Vortrag beschäftigt sich auch mit den Räumen, die Gründer brauchen.
Jede Phase braucht ihre eigene Arbeitshaltung, da ist das räumliche Ambiente sehr zentral. Es gibt immer wieder Phasen, in denen man eher nach innen guckt und dann wieder nach außen. Ein der Sache angemessener Wechsel oszilliert bei einem guten Gründer.

Oder man braucht jemanden im Team, der nach außen geht.

Das ist der Hauptpunkt und einer der schwierigen Momente, wenn z.B. pfiffige Maschinenbauer einen guten Betriebswirt suchen. Gruppendynamik im Team ist hochinteressant. In dem Moment werden die Karten neu gemischt. Hier können wir hoffentlich wissenschaftlich und beraterseitig einiges beitragen und gute Impulse geben, damit solche Veränderungen und Wachstum gut gelingen.

Viele Beratungsthemen ergeben sich also auch in bestimmten Phasen, in denen sich das Unternehmen gerade befindet, also z.B. im Wachstum, wenn neue Mitarbeiter eingestellt werden und wenn Experten gesucht werden, deren Kompetenz der Gründer nicht einschätzen kann. Was raten Sie dann?
Sowohl die Netzwerke müssen sich ändern, als auch die Kompetenzen! Ich habe vor Jahren erforscht, dass man immer wieder andere Netzwerke braucht. In einer Phase ganz am Anfang, wenn ich gerade eine Idee habe, mich aber noch nicht traue, brauche ich ein anderes Netzwerk als wenn ich ein marktreifes Produkt habe und an die Öffentlichkeit gehe. Und wenn man weiter geht, braucht man das Rückgrat, sich gegenüber Investoren verteidigen zu können oder ein gutes Auge, wenn es darum geht, neue Mitarbeiter einzustellen. Deshalb wird es in jeder Phase unterschiedliche Kompetenzen geben, die unterschiedlich unterstützt werden müssen.

Gibt es bestimmte Fragestellungen, die sich dazu eignen, im Rahmen eines Gründungscoachings gestellt zu werden?
Nein, das Gute ist ja, dass man mit allem zu uns kommen kann und es dann Aufgabe des Beraters ist, daraus eine bearbeitbare Fragestellung zu machen, um mit den Methoden, die nach Möglichkeit wissenschaftlich fundiert sein sollten, zu beraten.

Können Sie Phasen beschreiben, in denen Gründer Coaching in Anspruch nehmen sollten?
Bei hochkomplexen Aufgaben unterstützt zu werden, einen Raum zu bekommen, wo man seine Fragen klären kann, ist für mich auch eine psychohygienische Maßnahme. Ich selbst treffe mich einmal im Monat mit einem kompetenten Menschen, um meine Themen zu besprechen. Es gibt grob zwei Möglichkeiten: Man kann Coaching machen, wenn man merkt, dass man ein Problem besprechen möchte. Oder man kann regelmäßig jemanden “neben sich herlaufen lassen”, mit dem man Themen reflektiert. Wenn man ein akutes Problem hat, denken viele, sie haben jetzt keine Zeit für ein Coaching. Da rate ich zu einem Experiment: Testen Sie, ob es nicht Zeit spart, wenn man Themen klärt.

Was könnten Themen für ein Coaching sein?
Vielleicht gibt es akute Fragen zu klären: Blicke ich nicht durch? Wie kriege ich mein Pensum gestemmt? Wie kann ich mich motivieren, auch wenn es gerade nicht läuft? Das alles könnten Themen für ein Coaching sein.

Wie finde ich den richtigen Coach?

Es gibt etwa 20 Kriterien, an denen Sie einen guten Coach erkennen… Aber kurze Antwort: Es ist wie beim Hausarzt, man sollte seinem Bauchgefühl vertrauen: Fühle ich mich wohl? Ist das jemand, der mich auf neue Gedanken bringt? Bekomme ich hier das innovative Futter? Habe ich das Gefühl, mein Horizont wird erweitert? Fühle ich mich wertgeschätzt? Fühle ich mich verstanden?

Sollte sich der Coach auf das Thema “Gründung” spezialisiert haben? Ist das ein Kriterium, nachdem Gründungsteams einen Coach auswählen können?

Die Coaching-Landschaft ist ja nicht frei von Scharlatanerie, deshalb wäre es für Gründer_innen hilfreich, eine Art Gate-Keeper zu haben, der eine Vorselektion trifft. Der Science Park könnte z.B. einen Pool mit Coaches aufbauen, die Erfahrung mit Gründern haben und diese gezielt empfehlen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.
Aufgezeichnet von Gabriele Hennemuth

Heidi Möller ist Professorin für „Theorie und Methodik der Beratung“ am Institut für Psychologie an der Universität Kassel. Sie hat Psychologie, Philosophie und Soziologie studiert und ist Psychoanalytikerin, Organisationsberaterin, Supervisorin (DGSv) und Coach.

Infos und Anmeldung zum Kongress

Der Kongress ist kostenpflichtig.

Hier geht es zum Beitrag “Prof. Kathrin Rosing: Wieso gehören Scheitern und Fehler machen zum Leben dazu?”

Hier geht es zum Beitrag “Forschungsprojekt “Gründercoaching” – wie sieht passgenaues Gründercoaching aus?”

Hier geht es zum Beitrag “Goldene Regeln für die Arbeit im (Gründungs-) Team”

 

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