Prof. Dr. Günter Faltin: “Kapital ist nicht länger der Engpass”

Prof. Dr. Günter Faltin ist Wirtschaftswissenschaftler, Hochschullehrer an der FU Berlin und Unternehmensgründer der „Teekampagne“, die in nur kurzer Zeit Weltmarktführer im Handel mit Darjeeling-Tee wurde. In seinem „Labor für Entrepreneurship“ führt er vor, wie man eine Gründungsidee findet, sie systematisch entwickelt und so lange daran feilt, bis sie klare Wettbewerbsvorteile zeigt. 2001 richtete er die Stiftung Entrepreneurship ein, die einmal jährlich den Entrepreneurship Summit in Berlin ausrichtet.

Herr Faltin, was genau ist eigentlich Entrepreneurship?
In Anlehnung an Immanuel Kant würde ich den Begriff Entrepreneurship sehr weit fassen: Entrepreneurship ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten ökonomischen Unmündigkeit. Für die Aufklärung galt der Wahlspruch: traue dich zu wissen. Und für das Entrepreneurship gilt der Wahlspruch: traue dich herauszufinden. Das bietet die Chance, mit unkonventionellen Ideen und Sichtweisen zu arbeiten und gerade damit erfolgreich am Wirtschaftsleben teilzuhaben und etablierte Strukturen aufzubrechen.

Der Science Park Kassel ist ein StartUp-Center auf dem Campus der Universität Kassel. Welche Rolle spielen Hochschulen im Entrepreneurship und welchen Beitrag können sie leisten?
Hochschulen sollten in ihren Gründerzentren mehr sein als nur Akzeleratoren für gründungswillige Universitätsangehörige. Die eigentliche Stärke einer Hochschule liegt doch woanders: Sie kann ein kreatives wissenschaftliches Umfeld bieten – für jenes schöpferische Denken und Handeln benötigt, das unsere Gesellschaft braucht, um die drängenden Probleme unserer Zeit zu bewältigen. Es reicht nicht, Unternehmen zu gründen, die ständig nur neue Bedürfnisse herauskitzeln. Wir sind heute mehr denn je auf unternehmerische Initiativen angewiesen, die auf vorhandene gesellschaftliche Probleme mit ökonomischer und sozialer Fantasie antworten.

Wo sehen Sie die größte Herausforderung für angehende Entrepreneure?
In der Entwicklung eines überzeugenden Konzepts. Kapital ist heute nicht mehr der Engpass. Gute Konzepte schon. Alles, was Sie für den Aufbau eines Unternehmens brauchen, können Sie sich als Komponenten einkaufen – nur Ihr Konzept nicht. Je besser Sie das Konzept durchdacht und geprüft haben, desto größer sind die Erfolgschancen Ihrer Unternehmung.

Welche Rolle kann Entrepreneurship bei der Entwicklung kleinerer, zum Teil ländlicher Regionen (wie z.B. Nordhessen) spielen, die nicht in dem Maße die Anziehungskraft von Metropolen wie Berlin oder München besitzen?
Entrepreneurship kann auch auf die Verbundenheit zur eigenen Herkunft bauen. Gründer, die sich einsetzen für die Region, aus der sie kommen, und für die Menschen, mit denen sie aufgewachsen sind, haben sicher einen Sympathievorteil auf ihrer Seite. Die Nähe zu den eigenen, persönlichen Wurzeln kann so ein wichtiger Standortfaktor werden – und andere Standortnachteile zumindest ein Stück weit ausgleichen.

Anfang 2019 erschien Ihr neues Buch mit dem Titel „David gegen Goliath. Wir können Ökonomie besser“. In wenigen Worten, wie können Gründungsteams durch ihre Gründung die Ökonomie besser machen?
Ganz kurz: indem sie sich treu bleiben. Wenn es noch ein wenig länger sein darf: indem sie erstens gute Qualität liefern – wer will schon Pfusch abliefern? Indem sie zweitens ein wirklich gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten – wer will schon seine Kunden übers Ohr hauen? Und indem sie drittens fair auch zu den anderen Beteiligten sind, den Produzenten und der Natur – wer will schon unfair sein und die Umwelt ruinieren? Solange man sich daran hält, und nicht beginnt, seine Werte auf dem Altar der Profitmaximierung zu opfern, macht man die Ökonomie besser.

Die Fragen stellte Jaana Kistner.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.