
Foto: HydroNeo
Gegründet in Kassel, Marktführer in Thailand: Das Team von HydroNeo mit Sitz im Science Park Kassel blickt zweieinhalb Jahre nach der Gründung 2018 auf die eigenen Erfolge und verzweigten Wege dorthin zurück. Glück hat auch eine Rolle gespielt.
Das Team von HydroNeo bietet ein Smart-Farm-Management-System für Aquakulturfarmen an, also professionelle Fischzuchten. Der Pilotmarkt ist sehr spezifisch: HydroNeo entwickelt seine Produkte für thailändische Garnelenzuchten. Garnelenzucht klingt zunächst nach einer Nische – ist jedoch eine gigantische Nische. In Thailand werden im Jahr rund 350 Tausend Tonnen Garnelen produziert. Aus diesem Grund hat das StartUp noch einen zweiten Unternehmenssitz in Bangkok. Mit ihrem entwickelten Internet of Things-System kann die Wasserqualität der Garnelenfarmen überwacht und bestimmte Farmprozesse automatisiert werden, wie beispielsweise das An- und Ausschalten von Motoren. HydroNeo digitalisiert Farmen und bringt sie in die Zukunft.
In Kassel werden Lösungen für Asien entwickelt
Fabian Reusch ist Geschäftsführer von HydroNeo, hat die Idee nach dem Durchlaufen des EXIST-Gründerstipendiums als verbleibendes Teammitglied weiterentwickelt und das aktuelle Team aufgebaut. In einem Highschool-Jahr in Australien belegte er als Schüler einen Kurs in „Marine Studies“, der ihm das Thema Fischzucht nähergebracht hat. Die geweckte Begeisterung für Wasser und Aquakultur lies auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland nicht nach. Ursprünglich wollte Reusch nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre und Tätigkeit als Unternehmensberater selbst Bio-Garnelenfarmer werden und suchte nach Mitgründern. So ist er auf ein kleines Team in Kassel gestoßen, den Vorläufer des jetzigen StartUps, welches an Technologien für Aquakulturen arbeiten wollte. Gemeinsam wurde das EXIST-Gründerstipendium beantragt und erhalten.
Ein richtiges StartUp kann man nicht in Teilzeit machen
Schon in der frühen Gründungsphase war die Aufstellung des richtigen Teams eine erste Herausforderung. „Ein wild zusammengewürfeltes Team, in dem unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, was es heißt, ein StartUp zu sein, hat für uns nicht funktioniert“, beschreibt Reusch die Zeit. „Ein StartUp ist kein nine-to-five Job. Entweder man gibt alles oder es funktioniert nicht.“ Die gleiche Arbeitseinstellung und die gleichen Prioritäten sind für ihn entscheidend, damit ein Team zusammenpasst und die Unternehmenskultur stimmt. Teamfindung ist für ihn ein Prozess und beinhaltet laut Reusch auch immer eine Lernkurve, wo auch jeder konstant an sich selbst, seinen Stärken und Schwächen, arbeiten muss. Mittlerweile leitet er HydroNeo zusammen mit seinem alten Freund Dominique Dymke, einem erfahrenen Informatiker. So besteht das Team mittlerweile aus acht Vollzeitkräften, vier am Unternehmensstandort im Science Park in Kassel und vier in Bangkok.
Die klare Fokussierung zahlt sich aus
Ein Jahr nach Gründung der GmbH und verschiedenen Auszeichnungen, wie den 1. Platz, sowie den Umweltpreis beim Businessplanwettbewerb promotion Nordhessen, nahm das StartUp im Sommer 2019 am German Accelerator Programm in Singapur teil. Dieser Schritt war naheliegend, da das Team schon in Kassel sein Produktangebot in erster Linie für die südostasiatische Garnelenzucht und nicht für den deutschen Heimatmarkt entwickelt hat. Der German Accelerator hat einen ersten Startpunkt für den internationalen Markteintritt geboten: kostenfreie Büroräume, unterstützende Mitarbeiter, Workshopangebote und ein breites Mentoren-Netzwerk. Einen dieser erfahrenen Mentoren konnte HydroNeo mittlerweile sogar als Finanzdirektor gewinnen.
Thailand ist nicht immer der einfachste Markt
Eine der großen Herausforderungen beim Markteintritt in Thailand ist laut Reusch, dass man als Ausländer in Thailand keine Tochtergesellschaft gründen darf, sondern immer einen thailändischen, 51%igen Shareholder braucht. Aus diesem Grund besuchte das HydroNeo-Team noch einen weiteren Akzelerator, diesmal direkt in Bangkok. SPACE-F ist ein Inkubator und Akzelerator Programm, das versucht, Innovationen aus dem Ausland nach Thailand zu bringen und ist unter anderem initiiert von der NIA, der nationalen Innovationsbehörde Thailands. Diese Behördenbeziehungen eröffneten dem StartUp nun Wege für Ausnahmegenehmigungen und so gelang die Gründung der Tochtergesellschaft im Juni 2020. Auch an eine Finanzierung durch die Thai Union Gruppe, das führende Seafood-Unternehmen der Welt, welchem u.a. Rügen Fisch und Hawesta in Deutschland gehört und weltweit ca. jede dritte Dose Thunfisch herstellt , ist HydroNeo durch die Kontakte im Akzelerator-Netzwerk gekommen. Einen Konzern mit dieser Größe und Fachexpertise zu gewinnen, war laut Reusch ein wahrer Glücksgriff. „Eine weitere Herausforderung in Thailand ist das Thema Englisch. Von den Farmern spricht so gut wie niemand Englisch“, berichtet Reusch. Von Anfang an stellte der Gründer daher thailändische Mitarbeiter ein. Auch die Mentalität ist anders. „Viel softer“, nennt es Reusch. „Im ersten Meeting darf man nicht erwarten, dass es direkt zu Resultaten führt, sondern es geht darum, langfristige Beziehungen aufzubauen.“
Auswirkungen der Pandemie
Durch die Reiseeinschränkungen läuft die Kommunikation zwischen den Standorten aktuell nur digital. „Gerade für ein Team, was an verschiedenen Standorten verteilt ist, ist es wichtig, dass man sich auf jeden 100%ig verlassen kann. Jeder muss selbstständig sein, mitdenken und seine eigenen Arbeitspakete vorantreiben“, beschreibt Reusch die Arbeitseinstellung im Team. Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat die steile Entwicklung des StartUps etwas ausgebremst. Aus einem Jahr, was für Marktentwicklung vorgesehen war, wurde ein weiteres Jahr, in dem die Produktentwicklung vorangebracht wurde. „Dieses typische ‚gestärkt aus der Krise hervorgehen‘ haben wir uns vorgenommen und bis jetzt hat das auch gut funktioniert“, schildert Reusch das angepasste Vorgehen. Das Produkt, mögliche Zusatzprodukte und digitale Geschäftsmodelle, welche vor allem auf den erhobenen Daten der Farmen basieren, wurden weiterentwickelt. HydroNeo möchte in Zukunft noch umfangreichere Lösungen für die Herausforderungen von Garnelenfarmern anbieten. Mit einem gewissen Stolz kann Fabian Reusch mittlerweile sagen, dass HydroNeo sich in Thailand als Marktführer für Aquakultur Smart-farming etablieren konnte: „Wir hoffen, dass wir jetzt im Jahr 2021 richtig durchstarten können“ – hierfür ist HydroNeo aktuell auch auf der Suche nach weiteren Investoren, welche das Team unterstützen wollen, die asiatische Shrimp Industrie in die Zukunft zu bringen.
https://hydroneo.net/
Die Fragen stellte Jaana Kistner.
Das Interview ist bereits im Newsletter des Science Parks erschienen.