Heute stellen wir Euch Ridvan Kücük im Interview vor:
Zur Person:
57 Jahre alt, davon die ersten 5 Jahre in Istanbul und die restlichen 52 in Berlin,
Abitur und Studium Architektur und Rechtswissenschaften in Berlin.
Während des Studiums Gründung eines kollektiv verwalteten Vereins, die Sozialplanungsleistungen im Rahmen der Stadtplanung für die öffentliche Hand erbracht hat; später in Form einer GmbH; Zu guten Zeiten 3 Mio DM Honorarumsatz mit bis zu 25 Mitarbeitern.
Nach einer 2-Jährigen Auszeit und Studium der Politologie unternehmerisch tätig. Seit 1999 in der Technologiebranche.
2000-2002 geschäftsführender Gesellschafter der Onsoft GmbH; ISDN-Messtechnik, Hardware- und Softwareentwicklung ->Insolvenz
Nach 2002-2016 42com Telecommunication GmbH; Cloudbasierte Softwarelösung für TK-Dienste.
Warum sind Sie Unternehmer geworden? Was treibt Sie an? Was schätzen Sie am Unternehmersein?
Meinen ersten Job zu Beginn meines Studiums im Alter von 21 Jahren habe ich nach einem halben Jahr gekündigt, da ich mir ein fremdbestimmtes, abhängiges Dienstverhältnis nicht vorstellen konnte. Seitdem habe ich auch solche Arbeitsverhältnisse nicht gebraucht.
Ideen zu entwickeln und diese umzusetzen und damit die heutige Realität ein Stück zu verändern, sind Teil eines selbstbestimmten Lebens. Hierzu gehören auch die Gestaltung lebenswerter Arbeits- und Lebensbedingungen in einer zunehmend entfremdeten Umwelt. Diese Punkte sind zugleich Antrieb für die erforderliche Disziplin, Konzentration und Geduld auf dem Weg der Umsetzung, ohne den Glauben an die Idee zu verlieren.
Unternehmersein ist die Rolle, die Ideen den notwendigen Freiraum bieten kann. Verstehe ich ein Unternehmen als Vehikel zur Umsetzung einer Idee, so hat der Unternehmer die Rolle des Steuermann /-frau, um das Vehikel auf Kurs zu halten.
Was war Ihr größter FAIL / Misserfolg?
Die Insolvenz der Onsoft GmbH im Jahre 2002.
Was haben Sie durch Ihre Insolvenz gelernt?
Lesson learned 1: Das unternehmerische Risiko ist keine theoretische Größe. Dies kann auch ganz real werden. §64 GmbHG und die InsO gehören zu den Spielregeln des Unternehmerseins.
So wichtig, wie die Leidenschaft für die Idee, ist die professionelle Distanz zum Gegenstand der Umsetzung. Diese Distanz erlaubt den klaren Blick auf die Gegebenheiten und Handlungsmöglichkeiten.
Lesson learned 2: Dieser klare Blick ist notwendig, um Risiken frühzeitig zu erkennen und in den wichtigen Teilaspekten, wie Investmententscheidungen oder Forderungsmanagement mögliche Risiken einzugrenzen und zu vermeiden.
Lesson learned 3: Ich bin durch die Insolvenz der Onsoft im Hinblick auf Geschäftsplanung und –risiken konservativer geworden. Konservativ heißt, z.B. lieber möglichen Umsatz stehen zu lassen, wenn ich es nicht solide finanzieren kann. In den letzten 14 Jahren musste ich öfter den Spruch sagen: „Was nutzt mir das Erdölfeld unter unserem Grundstück, wenn ich nicht das Geld habe, mir die Bohrtechnik zu kaufen!“
Gehen Sie jetzt anders mit Misserfolgen um?
Ist Insolvenz ein Misserfolg? Wenn Misserfolg die Abweichung des Ist-Zustandes vom Soll-Zustand ist, wäre es zugleich ein Fehler. Zukunftsplanung geht immer von Annahmen aus, die eintreten können oder nicht. Wichtig ist, Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen, einzugrenzen und gegenzusteuern, damit sich Fehler nicht zu Insolvenztatbeständen addieren.
„Den größten Fehler, den man im Leben machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen“, sagte Dietrich Bonhoeffer.
Was hilft Ihnen heute in schwierigen Situationen?
Professionelle Distanz, siehe oben
Hat Scheitern auch positive Seiten?
Scheitern gehört zum Geschäft. Eine Idee kann scheitern, weil sich die Rahmenbedingungen auf dem Weg dahin geändert haben. Die Umsetzungstrategie kann zu sportlich ausgelegt oder fehlerhaft sein.
Scheitern ist immer eine Bereicherung der Erfahrungswelt; wenn auch manchmal eine immaterielle.
Was wünschen Sie sich für den Umgang mit Scheitern?
Unternehmerisches Scheitern wird in Gesellschaft und Wirtschaft zu häufig als Makel bewertet, der einem lange nachgetragen wird. Es wird leider verkannt, dass ein Steuermann / -frau, der/die schon einmal „Schiffbruch“ erlitten hat, bei „hohem Seegang“ eher die Ruhe beibehalten kann.
Welche Tipps geben Sie anderen Unternehmern für schwierige Situationen mit auf den Weg?
Wichtig ist, bei aller Leidenschaft für die Idee niemals den Blick für die Wahrheit, die Realität zu verlieren: Nüchterne Analyse, Reduzierung von Fragen auf ihren materiellen Kern und eine Prise Bauchgefühl können in schwierigen Situationen für Klarsicht sorgen. Hierbei hilft „professionelle Distanz“.
Herzlichen Dank für das Interview!
Weitere Speaker bei unserer FAIL NIGHT sind Alexandra Holz, Mitgründerin von Querwerk in Kassel und Dr. Udo Pauly, Gründer und Geschäftsführer von EKO-PLANT in Neu-Eichenberg.
Die Veranstaltung findet am Dienstag, 1. November 2016 um 17 Uhr im IdeaLab statt und wird von Patrick Brückner von fino digital GmbH, Mieter im Science Park moderiert. Interessierte sind herzlich eingeladen! Bitte anmelden unter: info@sciencepark-kassel.de.
Interessanter Artikel.
Als selbständiger Mensch muss man schon sehr viel anders tun und sich auch anders organisieren.
Ich vermisse es, dass viele davon Angst habe sich selbständig zu behaupten.
Ihre Sichtweise ist Perfekt.
Vielen Dank und herzliche Grüße
J.M.