Die Leichte Sprache als wichtiges Hilfsmittel
In Deutschland gibt es 30-35 Millionen Menschen, die mit der herkömmlichen, sogenannten schweren Sprache Probleme haben. Das können beispielsweise Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Hörproblemen sein, Migranten, die die deutsche Sprache noch nicht so gut sprechen können oder auch ältere Menschen, die eine angehende Demenz haben. Es gibt viele verschiedene Personengruppen, die mit einfacheren Wörtern besser umgehen können und eine einfache Sprache oder die Leichte Sprache benötigen. Leichte Sprache soll die schwere Sprache nicht ersetzen, sondern ist ein Hilfsmittel, wie der Rollstuhl für den Rollstuhlfahrer oder die Brille für Menschen mit Altersweitsichtigkeit.
„Letztendlich haben wir alle mit Leichter Sprache angefangen, als wir angefangen haben zu sprechen, zu schreiben und zu lesen. Da haben wir nicht mit Fremdwörtern begonnen, sondern mit einfachen Worten in deutscher Sprache. Spätestens an der Uni haben wir aber dann den letzten Schliff bekommen, so zu schreiben und zu sprechen, dass uns keiner mehr versteht.“ sagt Andrea Tischner, Gründerin und Geschäftsführerin von „leicht ist klar – Büro für Leichte Sprache“.
„leicht ist klar“ ist ein inklusives Büro mit Sitz im Science Park Kassel, das direkt mit Menschen mit Lernschwierigkeiten zusammenarbeitet. Die Aufgaben und Aufträge des Büros sind sehr vielfältig. Die Kunden reichen von Politikern und Ministerien, über Nachrichtensender zu Städten und Vereinen.
Das Team von leicht ist klar übersetzt Texte, die in sog. schwerer Sprache geschrieben sind, wie beispielsweise tägliche Online-Nachrichten des MDR, in Leichte Sprache. Für Leichte Sprache gibt es ein feststehendes Regelwerk vom Netzwerk Leichte Sprache, das Menschen mit und ohne Lernschwierigkeiten gemeinsam erarbeitet haben. Zudem werden alle übersetzten Texte von Prüferinnen hinsichtlich ihrer Verständlichkeit überprüft. Dieses Prüfteam besteht aus MitarbeiterInnen mit Lernschwierigkeiten, die selber Leichte Sprache brauchen.
Das Team von leicht ist klar bietet außerdem deutschlandweit Schulungen und Seminare zum Thema Leichte Sprache an. „Immer mehr Menschen bemerken, dass Sprache einfach schwierig ist und es zunehmend Menschen gibt, die mit Sprache nicht gut umgehen können“, beschreibt Andrea Tischner den Bedarf. „Dementsprechend möchten sich immer mehr Menschen und Unternehmen zu dem Thema schulen lassen. Zum Beispiel Städte, die gemerkt haben, dass sie mit ihren Internetseiten einen Teil ihrer BürgerInnen nicht mehr erreichen.“ Die Aufträge für das Büro werden immer mehr.
Angefangen hat es vor 20 Jahren: Seitdem befasst sich Andrea Tischner mit dem Thema Leichte Sprache. Nach einem Sozialwesen-Studium an der Uni Kassel und langjähriger Arbeit im Verein „Mensch zuerst“ und im damals neu gegründeten Netzwerk für Leichte Sprache hatte sich Andrea Tischner einen Namen gemacht. Im Jahr 2011 erfolgte die Gründung des eigenen Büros. Die Selbstständigkeit beschreibt Andrea Tischner als Selbstläufer. Zum damaligen Zeitpunkt gab es nur wenige Büros in Deutschland, die eine Übersetzungsarbeit in die Leichte Sprache leisteten. Ohne viel Werbung konnte sie erste Aufträge akquirieren.
„Am Anfang war in Deutschland viel politische Arbeit notwendig, um Verständnis für Menschen, die nicht so gut mit Sprache um gehen können, zu bekommen“ schildert Andrea Tischner den Beginn ihrer Arbeit zum Thema Leichte Sprache. Obwohl sich mit der Zeit auch in Deutschland viele weitere Büros entwickelt haben, ist das Problem noch längst nicht in der Gesellschaft angekommen. „Was ist denn das?“ hören die MitarbeiterInnen von „leicht ist klar“ häufig, denn viele Menschen können sich nichts unter dem Begriff Leichte Sprache vorstellen.
Seit April 2018 hat „leicht ist klar“ seinen Sitz im Science Park, der vor allem mit seinen barrierefreien Räumen überzeugte, denn auch in Kassel werden Seminare gegeben. Die Nähe zur Universität ist ebenfalls ein Vorteil, denn das Büro ist ein registrierter Betrieb für PraktikantInnen aus dem Studiengang der Sozialen Arbeit. Derzeit ist eine Studentin der Sozialen Arbeit als Assistentin für die PrüferInnen beschäftigt, und ein Germanistikstudent absolviert ebenfalls sein Praktikum hier.
Für die Zukunft hat das Team von „leicht ist klar“ noch viele Pläne und Ziele. Da es viel zu wenig Geschichten in Leichter Sprache gibt, würden sie gerne mehr mit Verlagen zusammenarbeiten und Bücher in Leichter Sprache schreiben oder übersetzen. Sodass auch Menschen mit Lernschwäche oder Sprachanfänger sich die Zeit an einem regnerischen Tag mit einem Buch vertreiben können. Sie sehen ebenfalls großen Bedarf an Büchern zu Gesundheitsthemen wie Diabetes oder Depressionen. Krankheiten, die viele Menschen betreffen, über die Menschen mit Lernschwierigkeiten jedoch keine Informationen bekommen.
Ein erstes Projekt für 2020 ist der Aufbau einer Internetseite für Kulturangebote in Kassel, die in Leichter Sprache vorgestellt werden. Der Zugang zu kulturellen Angeboten soll erleichtert und die Museumslandschaft von Kassel vorgestellt werden. Auch eine Präsenz auf der nächsten documenta ist vorgesehen. Wir sind gespannt!