Der High-Tech Gründerfonds (HTGF) finanziert junge Technologie-Unternehmen mit Seedkapital in Höhe von bis zu 600.000 Euro und unterstützt sie beim Unternehmensaufbau und Wachstum.
Romy Schnelle ist Investment Director beim High-Tech Gründerfonds. Im Gründerblog erklärt sie, nach welchen Kriterien der HTGF über eine Beteiligung entscheidet, welche Kompetenzen im Team vorteilhaft sind und welche Fragen sich Gründerinnen und Gründer gerade zu Beginn stellen sollten.
Wie wird man eigentlich Venture-Capital-Geber – wie bist Du Venture-Capital-Geber geworden?
Ich kam aus meinem eigenen Tech Start-Up, welches ich gemeinsam mit Fraunhofer und Prof. Brandenburg gegründet hatte und im Rahmen des Unternehmensaufbaus VC Gelder akquiriert hatte. Und schon hatte ich Blut geleckt, wollte meine Start-Up Erfahrung teilen, aber auch lernen, wie erfolgreiches VC geht.
Wie müssen Startups aussehen, um für eine Finanzierung durch den HTGF infrage zu kommen? Wie weit sollten die Teams sein, wenn sie Kontakt zum HTGF aufnehmen?
Es geht immer um die Problemlösung, an der ein Team mit aller Energie arbeitet. Wird wirklich ein Problem gelöst oder handelt es sich um eine Lösung auf der Suche nach einem Problem? Wer sind die Kunden? Wie hoch ist die Zahlungsbereitschaft? Wie groß ist der Markt? Was macht der Wettbewerb [und es gibt immer Wettbewerb]?
Das Thema Reife eines Start-Ups hängt vom Industriebereich ab. Bei Unternehmen, die eine Business- oder Industrielle Software herstellen und vermarkten, ist es für uns wichtig, erste zahlende Kunden zu sehen, während das bei einem Unternehmen, welches eine Hard- und Softwarekombination anbietet qua Vorfinanzierung ein Proof-of-Concept mit ersten LOIs von Kunden ist.
Mein Rat ist also, sich sehr viele Fragen bereits selbst beantwortet zu haben und eine klare Strategie für den Unternehmensaufbau zu haben. Klar ist, dass sich vieles im Verlauf der Entwicklung eines Start-Ups zeigen wird, der ein oder andere Pivot gemacht werden muss. Das ist alles nicht schlimm, wenn der Kern des Unternehmens und die Anlagen passen. Das versuchen wir als führender Seedinvestor herauszufinden.
Wir haben an der Uni häufig Teams, die aus demselben Fachbereich kommen und noch keine größeren Branchenerfahrungen gesammelt haben. Was rätst Du diesen Teams? Sollten sie sich schon bewerben oder sollten sie erst versuchen, ihr Team zu vervollständigen?
Wichtig ist, dass das Uni-Team seine Lösung am Markt ausrichtet, dafür ist Marktfeedback unumgänglich. Das muss nicht notwendigerweise mit einer Teamergänzung einhergehen.
Wie viel Branchenerfahrung für uns notwendig ist, hängt von der Lösung, dem Entwicklungsstatus und der Einfachheit der Vermarktung ab. Je herausfordernder die Vermarktung, desto mehr Feedback vom Markt ist für uns und auch die Teams wichtig.
Wie sieht das „ideale Team“ aus? Worauf guckt der HTGF?
Ein ideales Team gibt es nicht. Team ist wichtig, also mehr als ein Gründer. Die Kompetenzen sollten komplementär sein. Erfahrung im Fachbereich & im Business Development sowie im Aufbau und Management von Organisationen sind ebenfalls von großem Vorteil. Eine gewisse Historie gemeinsamen Zusammenarbeitens ist nie verkehrt.
Nach welchen Kriterien wird über die Beteiligung entschieden? Was sind häufige Gründe für die Zu- oder Absage?
In der Seedphase ist die Datenbasis naturgemäß nicht vergleichbar wie bei Series A, B oder C Runden. Dazu kommt unser breiter Investitionsfokus. 30 Investment Professionals schauen Themen rund um Artificial Intelligence genauso neugierig an wie Prozessoptimierungsthemen in der Logistik. Dabei analysiert der Biologe natürlich die Chancen für einen neuen Wirkstoff, und der Physiker schaut sich zum Beispiel eine neuartige Batterie an und nicht umgekehrt. Aufgrund unseres sehr hohen Dealflows und unserer Leadrolle ist es entscheidend, den Entscheidungs-Muskel zu trainieren.
Wir fragen uns: Wird ein wirkliches Problem gelöst? Welche alternativen Wege der Problemlösung gibt es? Was ist die Value Proposition und wie kann sie geschützt und verteidigt werden? …
Im Ergebnis gibt es nicht den häufigsten Grund für eine Zu- oder Absage, es ist immer ein Zusammenspiel der einzelnen Faktoren, die das Potenzial eines Start-Ups ausmachen. Am wichtigsten dabei ist die Value Proposition und das Team.
Sind Schutzrechte zwingend vorgesehen? Wenn ja, in welchen Branchen? Viele Gründerteams nutzen Schutzrechte, die über die Uni angemeldet wurden. Erwartet der HTGF, dass IP (intellectual property) und Know-How vollständig im Unternehmen sind?
Auch hier ist die Antwort, es kommt auf die Branche/Industrie und Lösung an, die das Unternehmen anbietet. Im Bereich der Software sind Patente nicht unbedingt das probate Mittel für einen nachhaltigen Wettbewerbsvorsprung. In der Biotechnologie sieht das natürlich ganz anders aus.
Unsere Erfahrung ist, dass wir bezüglich der IP Übertragung zwischen Universität bzw. Forschungsinstitut, Gründern und Investor eine für alle Parteien akzeptable Lösung finden. Es gibt viele Vorzeige-Modelle, wie Patentübertragung an deutschen Universitäten möglich gemacht werden kann. Dies hier auszuführen, wäre ein ganzer Aufsatz :-).
Wie groß ist das Portfolio des High-Tech Gründerfonds?
Unser Unternehmens-Portfolio ist sehr groß, aktuell 260 Unternehmen umfassend. Da gibt es entsprechend der Unternehmensphase jede denkbare Konstellation in Bezug auf den Anteil, den die Gründer halten und den Wertzuwachs. Ein Exit kann ganz unterschiedlich aussehen. In 2017 haben wir alleine in den ersten sechs Monaten unsere Anteile an 12 Unternehmen veräußert, da gab es Secondaries aber auch 100% Verkäufe.
Im Rückblick: Was sind wichtige Gründe für den Erfolg der Teams? Was unterscheidet erfolgreiche Teams von nicht-erfolgreichen?
Das ist etwas zu einfach, das Scheitern auf das Team zu reduzieren. Der Unternehmensaufbau hat etwas von Achterbahnfahrt, da gelingen Dinge sehr gut und andere Dinge eher weniger gut. Ein Marktfenster schließt sich, eine alternative Lösung für andere Umsatzströme kann nicht schnell genug gefunden werden, der Investor/die Investoren können/wollen keine weiteren Mittel investieren. Das sind nur wenige exemplarische Beispiele für Scheitern.
Einen Tipp für die Teams habe ich jedoch schon: Die Gründer sollten sich ehrlich fragen, was Sie vom Unternehmertum erwarten: Was ist ihr Ziel? Was treibt sie an? Wie lange halten sie durch? Das ist sehr wichtig im Versprechen auf das gemeinsame Unternehmertum den anderen Teammitgliedern gegenüber.
Was gibst Du Teams auf den Weg, bei denen es mit einer HTGF-Finanzierung nicht klappt?
Wir geben bei jeder Absage offenes & ehrliches Feedback.
Aber auch wir sind nicht allwissend.
So viel Feedback nehmen wie möglich, gut reflektieren und weitermachen.
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