Svenjas Schröder hat bereits mehrere Projekte erfolgreich über Crowdfunding finanziert. Nach unserem Gespräch ist auch die im März gestartete Kampagne für HEDWIG AND THE ANGRY INCH erfolgreich beendet worden. Hier verrät Svenja ihre Tipps und Learnings:
Svenja, Du hast bereits drei musikalische Bühnenprojekte mit jungen Erwachsenen erfolgreich über Crowdfunding finanziert. Wie müssen Projekte aussehen, damit sie über Crowdfunding finanziert werden können?
Wenn Ihr Euer Projekt über Crowdfunding finanzieren wollt, sollte es einen Mehrwert bieten und zwar nicht nur für Euch, sondern auch für die UnterstützerInnen! Die UnterstützerInnen merken, ob Ihr für Euer Projekt brennt oder ob Ihr es aus Eigennutz macht.
Wer waren Eure ersten UnterstützerInnen?
Die ersten UnterstützerInnen sind üblicherweise die drei Fs: family, friends and fools.
Erzählt Eure Vision! Storytelling ist ganz wichtig für den Erfolg der Kampagne. Crowdfunding ist auch ein Marketing-Tool. Startet die Kampagne mit Dynamik, denn wenn Ihr in den ersten drei Tagen 30% der Fundingsumme schafft, erreicht Ihr das Fundingziel zu 90%.
Ihr macht viel Marketing über Social Media Kanäle, geht aber auch mit Kostümen in die Stadt und verteilt Flyer und Postkarten. Plant Ihr die Marketing-Kampagne vorab und wie geht Ihr vor?
Wir machen Postkarten, Plakate, Flyer und Texte und nutzen unsere Social Media Kanäle. Mein Tipp: Verbindet reales Leben mit dem Online-Leben! Wir versuchen immer, möglichst viele Presseberichte zu erreichen. Das muss geplant werden. Wir geben Pressemitteilungen raus und laden PressevertreterInnen ein, wenn wir das Video drehen oder wenn die Kampagne startet. Dann berichten wir auch von unseren DarstellerInnen und versuchen die ganze Zeit über super-präsent zu sein. Ich beobachte es bei anderen Kampagnen, dass die Teams zum Kampagnenstart sehr aktiv sind und während der Kampagne gar nicht mehr sichtbar sind. Ich habe dann das Gefühl, dass sie ganz vergessen, dass gerade eine Kampagne läuft. Aber es ist wichtig, die ganze Zeit über präsent zu sein!
Ihr plant eine neue Kampagne für „Hedwig and the Angry Inch“. Mit welchem zeitlichen Vorlauf rechnest Du?
Bei Produktionen im August fangen wir im Dezember des Vorjahres mit den Planungen an und versuchen ab Februar/März in die Kampagne zu gehen. Wir testen dabei auch immer ein bisschen. Bei unserem ersten Projekt me:ta Kassel‘13 haben wir gedacht: „Wir machen es einfach mal“, aber bei unserem letzten Projekt GRIMM! haben wir die Kampagne relativ detailliert geplant. Wir haben genau getaktet, wie die Szene aussehen soll, um authentisch, aber nicht belanglos zu sein. Im Video sieht man 20 Jugendliche, da musst Du schon genau überlegen, was die Jugendlichen sagen und das muss auch zum Erscheinungsbild der Kampagne passen und zum Programmheft, also visuell passen, aber auch die Sprache muss passen.
Wie lang sollte das Video sein und wie aufwendig ist die Produktion?
Probiere es aus: Wie lange schaust Du Dir ein Video an, bevor Du wegklickst? Das sind meist vierzig Sekunden. Schau Dir an, wie die Bilder sind. Aber nicht nachmachen und auch nicht unter Druck setzen lassen, sei authentisch! Dein Video sollte in maximal 2-3 Minuten Deine Vision rüberbringen.
Mein größtes Learning, das ich von einem Workshop mitgebracht habe: Du musst nicht versuchen, ein tolles Video mit einer tolle Kamera zu machen, weil das Kind nebenan mit dem IPhone genauso gute Videos macht. Sei authentisch und vertraue Deiner eigenen Intuition!
Ihr bietet für Eure Bühnenprojekte Dankeschöns wie Eintrittskarten, aber auch sehr individuelle Gegenleistungen, wie Wohnzimmerkonzerte oder persönliche Videodrehs an. Wie kommt Ihr auf die Ideen zu den Dankeschöns? Hast Du dazu Tipps?
Bei GRIMM! haben wir das „Ich bleib‘ daheim- Das Grimm! Set für Fernbleibende“ angeboten. In dem Paket haben wir für 100 Euro ein Mix aus verschiedenen Dankeschöns, u.a. Photobuch, Postkarten und Beutel angeboten. Liebevoll und wertig verpackt kam es sehr gut an. Wir wollen, dass die Dankeschöns Freude machen und dass unsere UnterstützerInnen darüber reden! Ich nehme mir immer vor, weniger Dankeschöns anzubieten. Es gibt immer ein Dankeschön, das wir nicht hätten anbieten sollen, weil es nicht nachgefragt wird oder zu wenig nachgefragt und dadurch zu teuer war. Versucht, nicht mehr als zwölf Dankeschöns anzubieten und produziert nur Merchandising, das sowieso entsteht.
Keep it simple – Wir versuchen Dankeschöns zu geben, die wir im Merchandising sowieso machen. Ein gutes Beispiel ist unser Photobuch. Wir haben zum Glück immer einen Fotografen dabei, der sehr hochwertige Fotos des Castings, der Proben und der Aufführung macht. Das ist für alle eine schöne Erinnerung.
Dann bieten wir Tickets an. Macht es nicht zu kompliziert! Wir hatten anfangs verschiedene Preiskategorien für unterschiedliche Sitzreihen. Das war zu kompliziert. Wir bieten jetzt Early-Bird-Tickets an. Auch Pakete laufen gut.
Wir recherchieren im Vorfeld, was für Projekte es gibt und welche Dankeschöns angeboten werden. Welche Dankeschöns sprechen uns an? Wir haben irgendwann gemerkt, dass die magische Grenze bei 10 Euro liegt und bei 20-25 Euro. Verwandte oder Leute, die die gute Sache unterstützen wollen, kaufen auch oft Dankeschöns für 100 Euro. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Pakete von 35-40 Euro ungerne gekauft werden.
Auch für fünf Euro kann man tolle Sachen machen!
Es gibt ja auch die Rubrik „Gutes Karma für fünf Euro“. Ich finde, man kann da auch schon tolle Sachen machen. Für Rocky Horror haben wir kleine Nippelbuttons gemacht, die kosteten max. 50 Cents. Die Leute haben sie geliebt und gekauft. Und sowas auf eine Postkarte geklebt und vom Darsteller unterschrieben, kommt unheimlich gut an.
Ihr habt bisher drei Bühnenprojekte erfolgreich über Crowdfunding finanziert. Bei Eurem ersten Projekt „me:ta Kassel’13“ habt Ihr 3.000 Euro finanziert, bei dem zweiten Projekt „Vodar Eiland“ waren es 5.000 Euro. Bei Eurem dritten Projekt „GRIMM!“ war das Fundingziel 3.500 Euro und Ihr habt sogar über 4.000 Euro eingesammelt. Wie legt Ihr das Fundingziel fest? Welche Aspekte spielen eine Rolle?
Bei „Vodar Eiland“ ist es uns schwergefallen, das Fundingziel zu erreichen, deshalb haben wir bei GRIMM! sehr vorsichtig kalkuliert. Aber dann war es so, dass uns bei GRIMM! sehr viele Leute unterstützt haben. Wir arbeiten schon lange mit der Crowd, das hat sich ausgezahlt.
Mein Tipp: Guckt, wen Ihr ansprecht, wer Eure Zielgruppe ist und welche Dankeschöns für diese Zielgruppe interessant sein könnten. Also, ich habe 40 Leute, die mir 20 Euro geben und dann noch 15, die mir 100 geben und dann noch etwas höher kalkulieren. Dann könnt Ihr Euch ungefähr ausrechnen, wie hoch das Fundingziel sein kann.
Einige Projekte bauen auch eine Fundingschwelle ein, eine Art Etappenziel, ein Mindestbetrag, bei dem die Projektstarter Ihr Projekt z.B. in einer nicht so hochwertigen Qualität umsetzen. Was hältst Du davon?
Wenn man 100.000 Euro einsammelt, dann finde ich eine Fundingschwelle sinnvoll, weil es schade wäre, wenn das Projekt mit 90.000 Euro nicht umgesetzt werden könnte. Für andere Projekte finde ich das uncool. Denn genau dieser Kitzel, ob es gelingt, das Projekt in dem vorgegebenen Zeitraum umzusetzen, ist für mich spannend.
Du bist als Professional bei Startnext gelistet. Was bedeutet das?
Ich habe persönlich ein großes Interesse am Crowdfunding und habe schon einen Blick dafür, ob ein Projekt erfolgreich wird. Professionals sind erfahrene Crowdfunding-Experten, die Starter mit ihrer Erfahrung und ihrem Wissen unterstützen.
Du kommst ursprünglich aus Hannover – wie bist Du nach Kassel gekommen?
Ich habe an der Kunsthochschule Kassel Systemdesign studiert. Als ein Semesterprojekt nicht so gut lief, beschloss ich ein Musical auf die Beine zu stellen. Ich fühle mich sehr wohl in Kassel, das Umfeld ist optimal, es gibt kurze Wege und eine sehr direkte Kommunikation mit dem Publikum in der Stadt. Kassel ist ein supergutes Umfeld, die Stadt hat genau die richtige Größe und wir haben mittlerweile Wege erschlossen, wie wir Jugendliche erreichen. Von 100 Personen, die zum Casting kommen, kommen 75 aus Kassel und 25 von außerhalb.
Worauf bist Du stolz?
Unsere GRIMM! Kampagne hat perfekt funktioniert. Auch das Video war gut und hat super gepasst. Aber richtig stolz bin ich immer auf das Team, das alles mitgetragen hat! Diese Menschen, die genauso verrückt sind wie ich!
Danke für das Gespräch, Svenja.
Aufgezeichnet von Gabriele Hennemuth
Das Kultmusical “Hedwig and the Angry Inch – One night in Kassel” ist eins von elf kulturellen Projekten in Kassel, die sich beim Crowdfunding Contest “Kultur macht schön” präsentiert haben. Im Rahmen des Contest entschied die Crowd über die Vergabe von zusätzlichen Fördermitteln.
Weitere Projekte waren: Brauerei Steckenpferd, Gently Used Sexdolls Zine, StoryCamper, KolorCubes, BOREAL, LUX, DOCK YOUR MIND, Kasseler Kunstsäule mit Konus, Neuer Standort für den Kulturclub UNTEN, Pleasure Project und Periptero-Der Kulturkiosk.
Hier gehts zu dem Beitrag: “5 Indizien, an denen Du siehst, ob Du Dein Projekt über Crowdfunding finanzieren kannst”
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