Timo Bäcker ist Absolvent der Kunsthochschule Kassel und Co-Founder des Startups “SWARM Protein”, das Proteinriegel aus Insekten entwickelt hat. Zur Finanzierung der ersten Produktion haben die Gründer eine Crowdfunding-Kampagne gestartet.
Ich habe Timo und Christopher bei einer Verkostung ihrer Fitnessriegel in Dortmund getroffen. Am Samstag war bereits abzusehen, dass das Team die ambitionierte Fundingsumme erreichen wird.
Während der Verkostung konnte ich Timo fragen, welche Erfahrungen er während der Kampagne gesammelt hat, was gut lief und was nicht so gut lief:
Ihr habt eine sehr erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne durchgeführt. Für die erste Produktion eurer Fitnessriegel aus Insekten habt ihr innerhalb eines Monats 50.000 Euro eingesammelt. Gab es auch Probleme?
Ein grundlegendes Problem ist, dass in Deutschland viele nicht wissen, was Crowdfunding ist. Du musst also zwei Hürden meistern: Du musst den Leuten erstens erklären, dass du ein cooles Produkt machst und zweitens, dass sie es über Crowdfunding bekommen.
Das ist einfach nicht so geläufig, wie in den Staaten, wo Riesenkampagnen gefahren werden und wo Leute einfach sagen: „ Ja, ich will dabei sein, ich will als erster dabei sein, auch wenn ich das Produkt erst in zwei Monaten bekomme. Das ist eben Crowdfunding.“ In Deutschland musst du das noch erklären. Das ist eine große Hürde. Viele sagen dann: „Ach, dann unterstütze ich das Produkt, wenn es im Markt ist.“ Aber so funktioniert es nicht. Wenn die Produktion nicht über Crowdfunding vorfinanziert wird, kommt auch das Produkt nicht auf den Markt.
Es ist in Deutschland ungewöhnlich, Produkte aus Insekte zu essen. Viele scheuen sich davor.
Klar, aber das spielt uns auch in die Karten. Wir haben auch kotzende Smileys unter unseren Posts, aber für uns ist das keine Negativwerbung. Wir kommen damit klar, wenn Menschen Produkte aus Insekten eklig finden und dafür nicht so offen sind. Schlimmer ist, wenn Unwahrheiten unter unsere Werbung geschrieben wird. Darauf müssen wir reagieren.
Diese Provokation hilft uns sogar eher in den Medien. Wir hatten schon Beiträge u.a. in Wirtschaftswoche, enorm, Spiegel online, Frankfurter Allgemeine und sogar in der Bild. Diese grundlegende Sichtbarkeit zu haben, ist wichtig. Viele sagen uns: „An euch kommt man gar nicht vorbei.“ Es hilft der Marke sehr, wenn die Menschen schon 2-3mal von SWARM Protein gehört haben!
Ihr habt ja sehr früh angefangen, eine Community aufzubauen.
Ja, das war das Allerwichtigste! Wir haben sehr früh angefangen, Interessierte in den Newsletter aufzunehmen, oder wenigstens in Facebook. Und deswegen hatten wir auch schon eine Community, die wir regelmäßig informieren konnten.
In den ersten 24 Stunden konnten wir so 20.000 Euro einsammeln. Wir merkten richtig, dass diese Menschen auf den Kampagnenstart gewartet haben. Wir konnten im Newsletter und über Facebook vorab informieren, wann es losgeht, was wir für Specials haben und die Unterstützer waren die ersten, die Neuigkeiten erfahren haben. Das hat echt geholfen. Wir haben unsere Kampagne um Mitternacht gestartet und als ich gegen 4.30 Uhr ins Bett gegangen bin, waren schon 5.500 Euro eingezahlt. Diese Menschen haben also wirklich da gesessen und gewartet, dass die Crowdfunding-Kampagne live geht. Ohne Community kannst du es nicht machen, du musst die Leute vorher dafür sensibilisieren, das was kommt.
Viele starten ihre Kampagne, ohne vorher eine Community zu haben und kommunizieren auch im Kampagnenzeitraum wenig mit der Crowd. Welche Tipps hast du?
Das kann funktionieren, wenn die Kampagne über einen langen Zeitraum läuft. Unsere Kampagne lief z.B. nur einen Monat. Der kurze Zeitraum hilft, Druck aufzubauen. Jeder, der unterstützen will, weiß, er muss sich beeilen.
Startnext empfiehlt, die Kampagnen 4-6 Wochen laufen zu lassen. Eine längere Laufzeit funktioniert für klassische Medien gut, weil die einfach mehr Zeit brauchen. Vier Wochen hat für Tageszeitungen gut funktioniert und für Blogger und Influencer.
Wir waren viel unterwegs und hatten anfangs schon 3-4 größere Events, die wir besucht haben. Spontan sind dann noch ein paar größere Events dazugekommen, wie der Pirat-Summit mit 800 Leuten, eine Verkostung in der SpoHo (Deutsche Sporthochschule Köln). Am letzten Tag der Kampagne sind wir an der EBS, bei einem riesigen Symposium mit Startup FAIR.
Wo sitzen eure Unterstützer?
So wie ich es momentan einschätzen kann, sind wir gut verteilt. Unsere Zielgruppe ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Leider sehen wir erst nach dem Ablauf der Kampagne, woher unsere Unterstützer kommen. Wir erwarten aber, dass sie eher in Großstädten leben und natürlich auch verstärkt aus Köln und Umgebung kommen.
Herzlichen Dank!
Das Gespräch wurde am 23. September 2017 von Gabriele Hennemuth aufgezeichnet.
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“5 Indizien, an denen du siehst, ob du dein Projekt über Crowdfunding finanzieren kannst”
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