Putzen fürs Klima: Larabicus entwickelt Roboter für Schiffe

Foto: Andreas Fischer/ Larabicus

Ein 100.000 Tonnen schweres Handelsschiff fährt durch die Weltmeere. Die Fahrt dauert mehrere Wochen. Währenddessen wird auch unter der Wasseroberfläche hart gearbeitet: Ein halbes Dutzend kleiner Putzroboter, die gerade einmal 30 bis 50 kg pro Stück wiegen, reinigen unermüdlich den Schiffsrumpf: So halten sie dessen Oberfläche möglichst glatt. Ein Szenario, das schon bald Wirklichkeit werden soll – aber warum das Ganze? Und wie kann das gelingen?

Das wissen Florian Gerland und Thomas Schomberg. Nach dem Vorbild des Putzer-Lippfischs „Larabicus quadrilineatus“, der größere Fische von Parasiten befreit, entwickeln sie an der Universität Kassel die Schiffsputzmethode der nahen Zukunft – Name, nach dem tierischen Vorbild, „Larabicus“. Die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter am Fachgebiet Strömungsmechanik sehen in ihrer Innovation vier entscheidende Vorteile.

Der erste: Mit der neuen Technik können Schiffe Treibstoff einsparen und damit ihren CO2-Ausstoß senken. Aktuell verbraucht ein Schiff etwa 100 Tonnen Treibstoff am Tag. Laut der International Maritime Organization (IMO) kann eine 0,5 mm dicke Schleimschicht auf dem Schiffsrumpf den Treibstoffverbrauch bereits um bis zu 30 Prozent erhöhen. „Man kann sich das vorstellen wie Haare beim Menschen. Trägt man sie beim Schwimmen offen, erhöhen sie den Widerstand im Wasser und bremsen einen aus“, erklärt Schomberg. „Denselben Effekt hat die Schleimschicht am Schiff.“ Diese besteht zum Beispiel aus Bakterien und Plankton und entsteht bereits innerhalb weniger Tage – oder sogar Stunden. Daher die Idee, bereits während der Fahrt zu reinigen, um die Bildung einer solchen Schleimschicht von vornherein zu verhindern. Denn: Eine glattere Oberfläche heißt weniger Widerstand heißt weniger Treibstoff.

Natürlich müssen auch die Putzroboter selbst, die mit (sehr starken) magnetischen Rädern am Schiffsrumpf haften, einen möglichst geringen Strömungswiderstand bieten. Dafür sind diese stromlinienförmig gestaltet und haben zusätzlich spezielle Flügeln. Die ausgeklügelte technische Gestaltung der Roboter lassen sich die beiden Entwickler gerade patentieren; daher nennen sie zunächst keine genaueren Details.

Der zweite große Vorteil ist ökologisch: Die Einführung von invasiven Arten in fremde Ökosysteme wird verringert. Schiffe tragen, wenn sie die Weltmeere durchqueren, stets lebende Organismen wie Algen oder Muscheln, die an der Oberfläche haften, mit sich. In einigen Ländern, darunter Australien oder Neuseeland, ist es einerseits Pflicht, mit einem „sauberen“ Schiff anzukommen. Andererseits ist es zum Schutz der sensiblen Ökosysteme verboten, die Reinigung bei Ankunft in den Gewässern vor Ort durchzuführen. „Als Resultat wird die Reinigung oft irgendwo unterwegs im globalen Süden durchgeführt – mit negativen Folgen für die Ökosysteme“, so Schomberg. Denn viele schädliche Arten wandern dann eben dort ein. „Derzeit wird die Reinigung meist im Hafen oder in der Werft vorgenommen, und zwar nur einmal im Jahr oder sogar nur alle zwei Jahre. In dieser Zeit entstehen natürlich enorm viel Verschmutzung und Bewuchs.“ Indem die Oberfläche des Schiffsrumpfes also bereits während der Fahrt möglichst sauber gehalten wird, wird das reduziert.

Drittens soll die Reinigung sanfter ablaufen als zuvor. Das ist entscheidend, denn heutige Schiffslacke enthalten oft Biozide und sind somit hochgiftig. Diese Biozide lösen sich über mehrere Jahre hinweg im Wasser auf und geben so kontinuierlich Mikroplastik und Giftstoffe ins Meer ab. Die Maschinen, die aktuell zum Einsatz kommen, reinigen grob und beschädigen so den Lack noch stärker. Dadurch bilden sich Bewuchs und Schleimschicht am Schiffsrumpf wiederum schneller und stärker – es entsteht eine Art Teufelskreis. Die neuen Putzroboter reinigen schonender, um dies zu vermeiden. Zudem übernehmen sie eine für Menschen gesundheitsgefährdende Arbeit.

Neben Aspekten der Nachhaltigkeit bieten die Putzroboter allerdings noch einen weiteren Vorteil. „Normalerweise vergeht viel Zeit, bis bei einer technologischen Innovation ein ökonomischer Vorteil entsteht“, erklärt Gerland. Larabicus spare jedoch ab dem ersten Tag des Einsatzes Geld. Daher lohne sich die Investition für Reedereien: „Schiffe bekommen jetzt ein Energie-Label. Wir bieten mit unserem Reinigungssystem eine Lösung, die Bilanz zu verbessern und gleichzeitig Kosten zu sparen.

Gerland und Schomberg haben diesen Sommer für ihr Vorhaben eine besondere Förderung eingeworben: Über den EXIST-Forschungstransfer erhalten sie und ihr Team, das zusätzlich eine Meeresbiologin in Kiel und einen Wirtschaftswissenschaftler in Hamburg umfasst, für die nächsten zwei Jahre rund 1,2 Millionen Euro. In dieser Förderzeit stehen für das Team die Unternehmensgründung sowie die Markteinführung an, denn EXIST-Forschungstransfer hat das Ziel, genau diesen Übergang von herausragenden Forschungsergebnissen in die Unternehmensgründung zu unterstützen. „Wir sind sehr dankbar, an der Uni Kassel in ein so unterstützendes Netzwerk integriert zu sein“, betont Gerland. Der UNIKAT-Ideenwettbewerb habe für Larabicus die Weichen gestellt, die Gründungsberatung von UniKasselTransfer sowie der Startup-Hack Nordhessen hätten sie während der Antragstellung begleitet und das Fachgebiet sowie Prof. Dr.-Ing. Olaf Wünsch haben ihnen „die nötige Infrastruktur, aber auch den nötigen Freiraum geboten, diese Forschung neben der Promotion voranzutreiben.“ So freut sich auch Fachgebietsleiter und Mentor Wünsch darüber, das innovative Projekt zu unterstützen: „Es ist ein perfektes Beispiel dafür, wie Forschung in unserem Bereich zu konkret umsetzbaren, nachhaltigen Lösungen führen kann. Larabicus wird einen wertvollen Beitrag bei aktuellen Herausforderungen wie dem Klimaschutz und dem Erhalt der Biodiversität liefern und macht damit in besonderer Weise die Nachhaltigkeitsstrategie der Universität Kassel sichtbar.“

Am Ende sollen die Roboter für die meisten Handelsschiffe weltweit einsetzbar sein. Der Fokus liegt für die beiden Forscher auf Containerschiffen, denn diese fahren schnell und haben eine kurze Liegezeit. Mit anderen Worten: Sie verschmutzen stark, aber für die Reinigung am Hafen fehlt die Zeit. Bedenkt man, dass die Welthandelsflotte über 50.000 solcher Schiffe umfasst, wird schnell klar: Das wird sich lohnen.

Text: Lisa-Maxine Klein
Fotos: Andreas Fischer/Larabicus


Der Beitrag ist bereits in der Publik 2023/3 erschienen.

Mehr Informationen zu EXIST Forschungstransfer gibt es hier.

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