Im Beitrag erzählt der promovierte Regelungsingenieur, welchen guten Tipp er bekam, um seine Geschäftsidee zu finden und wie er die Ursprungsidee weiterentwickelte.
Alexander Schrodt kannte die Selbständigkeit von klein auf durch seinen Vater, der KFZ-Schadensgutachten erstellte. Auch während seines Mechatronik-Studiums an der Universität Kassel nutzte er die Gelegenheit, bei Veranstaltungen und Exkursionen Unternehmer kennenzulernen. „Ich habe mich schon immer für das Thema Unternehmensgründung interessiert, aber ich hatte keine Gründungsidee und wusste auch nicht, wie ich eine Idee finde“, beschreibt der Ingenieur die anfängliche Herausforderung. „Ich stellte mir vor, dass ich B2B-Produkt entwickeln könnte, aber es schien schwierig, weil die Ansatzpunkte für Produkte im B2B-Bereich gar nicht offensichtlich sind, sondern sich erst im Gespräch mit den Industriekunden ergeben.“
Als der Ingenieur seine Promotion in der Mess- und Regelungstechnik beendet hatte, hatte er den Wunsch, Projekte mit konkretem Nutzen für die Praxis umzusetzen und agil zu arbeiten. Erste Bewerbungen schienen nicht zu passen und so änderte Alexander Schrodt kurzerhand seinen XING-Status in „freiberuflich“. Wenige Tage später meldete sich ein ehemaliger Studienkollege bei ihm und bot ihm für 2-3 Monate die Mitarbeit in einem Projekt im Bereich Messtechnik in Kassel an. Nach der Anmeldung beim Finanzamt war der Start in die Selbständigkeit gemacht. Immer mehr Angebote für freiberufliche Projekte folgten. Die nächsten 1 ½ Jahren arbeitete Alexander Schrodt in einem Automatisierungsprojekt in München. Das Unternehmen hätte ihn gerne dauerhaft beschäftigt, aber er war entschlossen, selber ein Unternehmen zu gründen.
Neben der zündenden Idee fehlte ihm aber noch das Team, denn er hatte während seiner Freiberuflichkeit gemerkt, dass er gerne im Team gründen wollte. Als er André Knie, einen ehemaligen Schulkameraden vom Friedrichsgymnasium in Kassel wiedertraf, beschlossen beide, gemeinsam zu gründen. André Knie hatte zwischenzeitlich im Fachbereich Physik promoviert und auch Alexander Schrodt kam zurück an die Universität Kassel, um als Postdoc Daten-Analysen am Institut für Physik zu machen. Nach der Arbeit an der Uni entwickelten die beiden mögliche Gründungsideen und besuchten Gründungsevents im Science Park. Schließlich stellte das Team einem Investmentmanager des High-Tech Gründerfonds die Idee für eine Verkehrsmittelübergreifende Mobilitäts-App vor.
Der Investmentmanager riet aufgrund des ambitionierten Kapitalbedarfs ab, gab den beiden Gründern aber einen wertvollen Tipp: Besinnt euch auf eure Stärken und Erfahrungen und entwickelt daraus eine Geschäftsidee!Alexander Schrodt und André Knie warfen all ihre Kompetenzen zusammen, brainstormten und sammelten Ideen. Beide hatten viel Know How und Erfahrung in der Datenauswertung gesammelt und so verfolgten sie diesen Weg weiter.
Als nächstes traf sich das Team mit eoda, einem Data Science Unternehmen im Science Park. „Wir haben uns sehr offen ausgetauscht und geguckt, in welchen Bereichen wir zusammenarbeiten können. Schnell war klar, dass die Sensorik/ Messwerterfassung interessant ist, weil es für viele Data Science Unternehmen ein Problem ist, qualitativ hochwertige Daten von den Kunden bekommen“, erinnert sich Alexander Schrodt. „Die Qualität von Rohdaten, die für die Datenauswertungen genutzt werden, ist oft nicht ausreichend.“
Sie beschlossen, gemeinsam mit Industriekunden für deren Digitalisierungsprojekte Fragestellungen zu entwickeln und Sensorikauslegung zur Prozessüberwachung anzubieten, um passgenaue Lösungen für Themen zur Digitalisierung des Mittelstandes zu entwickeln.
Der Name “Data Hive Cassel erklärt sich aus den drei Wörtern”, erläutert Alexander Schrodt: „Data steht natürlich für unsere Expertise in der Datenauswertung. Das Wort Hive (engl. für Schwarmstock) beschreibt gleich eine ganze Reihe von Ideen. Dabei geht es um die Vernetzung von Daten untereinander, aber auch die Bearbeitung von Aufgaben in gleichgestellten Teams auf Augenhöhe mit den Kunden. Es ist ein Ort des agilen Arbeitens mit selbstorganisierten Teams. Im Kontrast zu diesen sehr modernen Begriffen steht Cassel (in der alten Schreibweise mit C) für die Verbundenheit zur Region Nordhessen, aber auch dafür, dass wir Veränderungen nicht nur um der Veränderung Willen herbeiführen wollen. Traditionen und bewährte Arbeitsweisen haben einen Grund. Den kann man zwar auf den Prüfstand stellen, aber es kann dabei auch herauskommen, dass es am sinnvollsten ist, nichts zu ändern.“ Der Name Data Hive Cassel steht für den Gründer also für die Verbindung von Traditionellem und Modernem.
Als mit der Hübner Gruppe, einem globaler Systemanbieter für die Mobilitätsbranche, der erste Kunde gewonnen war, war für Alexander Schrodt klar: Das ist der Start des neuen Unternehmens.
Im Oktober 2021 ließen die beiden Gründer das Unternehmen beim Amtsgericht eintragen. Während André Knie seine Arbeitszeit hälftig zwischen Selbständigkeit und angestellter Tätigkeit aufteilt, entschied sich Alexander Schrodt, seinen Job nicht zu verlängern, um sich Vollzeit der Arbeit im Unternehmen zu widmen. Seit Januar 2023 hat das Team Räume im Science Park angemietet und einen Mitarbeiter für den Bereich datengetriebene Modellbildung eingestellt.
Für VELI, ein Startup aus dem Fachbereich Maschinenbau, haben die Gründer einen smarten Stromzähler entwickelt, der in 1-Sekunden- Schritten Stromverbräuche abtastet. Der smarte Stromzähler kann mithilfe von Algorithmen die Stromgeräte allein lebender Menschen zuordnen und Angehörige informieren, wenn durch Abweichungen der Verbräuche Notsituationen erkannt werden. Auch andere Unternehmen haben schon Interesse am smarten Stromzähler gezeigt.
Alexander Schrodt möchte mit seinem Angebot den Mittelstand bei der Digitalisierung auf der technischen Ebene unterstützen, im obigen Beispiel mit den Erkenntnissen aus der Schwankung des Stromverbrauchs. „Strom- und Energieeffizienz sind wichtige Themen in der Industrie, aber auch Vibration ist ein wichtiger Indikator für den Zustand von Maschinen. Typische Fehler, die anhand von Vibration erkannt werden können, sind Defekte in Lagern, teils auch schon bevor diese zu einem Ausfall führen. Durch kleinste Beschädigungen in den Lagern ändert sich das Vibrationsverhalten, welches man mit einfachen Sensoren und etwas Auswertungselektronik erkennen kann. Da Lager im Grunde in allen Produktionsmaschinen eine elementare Rolle spielen, ist das in der Industrie auch ein großes Thema”, erklärt Alexander Schrodt. Anhand von Vibrationen lassen sich aber auch viele andere bewegte Teile überwachen. Beispielsweise werden Vibrationen erzeugt, wenn zwei Bauteile, die eigentlich reibungsfrei aufeinander gleiten sollten, durch kleine Schäden plötzlich doch Reibung erzeugen. Das kann man häufig sogar hören, wenn dieser Körperschall im Frequenzbereich des menschlichen Gehörs liegt und die Umgebung nicht zu laut ist.
Tipp des Teams:
„Wir sind immer sehr viel spazieren gegangen”, erzählt Mitgründer André Knie „und haben neben der fachlichen Ausrichtung des Unternehmens über (fast) jeden Bereich der Gründung und des Unternehmertums gesprochen. Auch heute gehen wir alle 2-3 Wochen mindestens für zwei Stunden. Dieses Walk’n’Talk ermöglicht es uns die Dinge zu diskutieren, für die im Alltag keine Zeit ist, die aber mindestens so wichtig für den Erfolg eines Unternehmens sind. Auch ist dort Platz für die emotionale Ebene und Probleme auf der Meta-Ebene. Ich empfehle jedem Gründungs-Team einen Raum für diese Gespräche zu schaffen, abseits von Whiteboards und Büros: Geht raus ins Grüne und besprecht, was gerade wichtig für Euch ist. Das ist nicht immer das Geschäft, aber immer gut für die Menschen hinter den Startups.“