Fabian Hilbich: Ich finde es gut, mutig zu sein und etwas Neues zu wagen!

Wenn man über die Friedrich-Ebert-Straße spaziert, ist die Wahrscheinlichkeit groß, Fabian Hilbich zu begegnen. Der leidenschaftliche Illustrator und Absolvent der Kunsthochschule betreibt im Vorderen Westen das „Wild Wood – Gallery & Store“, eine Mischung aus Laden, Galerie und Café mit, seit neustem, zwei Standorten. Daneben ist der umtriebige Unternehmer Mit-Betreiber der legendären „King Schulz Bar“ am Königstor.

Mit seinen Läden hat der 37-Jährige besondere Orte in Kassel geschaffen, die sein Geschäftspartner und er gerne mit kulturellen Aktivitäten bespielen. Neben dem Engagement für das Quartier ist dem Illustrator und Unternehmer die langfristige Zusammenarbeit mit anderen Menschen und Geschäftspartnern besonders wichtig.

Auf dem Gründerblog erfahrt ihr, welche vielfältigen Standbeine Fabians Selbständigkeit ausmachen, wie er mit seinem Angebot der Corona-Krise trotzt und wie er es schafft, die verschiedenen Aktivitäten unter einen Hut zu bringen.

Als Illustrator habe ich schon gegen Ende meines Studiums viel freiberuflich gearbeitet und mit anderen Kreativen ein kleines Label gegründet.
Durch erste Aufträge hatten wir etwas Startkapital und haben Kleidung, wie T- Shirts und Caps gesiebdruckt und verkauft. Als ich mit Kommilitonen den Laden in der Friedrich-Ebert-Straße gesehen haben, habe wir uns sofort in den Standort verliebt.  Wir haben spontan gesagt: „Jetzt probieren wir es aus!“.
Kurze Zeit später wurde ich Vater, deshalb habe ich zusätzlich einen Job in einer Agentur angenommen. Bald merkte ich aber, dass die Arbeitsatmosphäre nicht passte und kündigte meine Festanstellung. Stattdessen nahm ich freiberuflich Grafikaufträge an und baute mir ein Portfolio an Kunden auf, für die ich zum Teil heute noch arbeite. Meine Selbständigkeit im Einzelhandel und der Gastronomie lief parallel.

Anfangs haben wir im „Wild Wood“ eigene Produkte entwickelt, aber dann sind wir immer mehr dazu übergegangen, mit anderen Künstlerinnen und Illustratoren zusammenzuarbeiten, deren Kunstwerke wir weltweit versenden.
Einerseits bieten wir den Künstlern eine Plattform, über die sie bekannter werden können, andererseits arbeiten wir aber auch mit Illustratorinnen zusammen, die bereits sehr viele eigene Reichweite haben und vorrangig unsere Infrastruktur, wie die Produktion und den Vertrieb nutzen. Dabei sind Tattookünstler wie Peter Aurisch, Jessica Mach oder auch die Künstlerin Laura Yahna aus Berlin, die unter dem Pseudonym „The girl with the matchsticks“ Kunstdrucke entwirft.  Wir kümmern uns um die Produktion dieser sehr hochwertigen Kunstdrucke und versenden limitierte Auflagen an Kunden in aller Welt.

Das Produktportfolio unseres Concept Stores / Webshops hat sich im Laufe der letzten 10 Jahre immer wieder verändert. Wir bieten seit 2011 nachhaltige und einzigartige Produkte an.
Kunstdrucke, kreative Geschenkideen, Slow & Green Fashion, Rucksäcke und Accesoires. Dabei arbeiten wir mit vielen kleinen Manufakuren und Labels zusammen, die eine zeitgemäße Firmenphilosophie vertreten. Dabei sind auch einige regionale Produzenten, wie z.B. die Möbelmanufaktur Fuchs & Habicht.

Aktuell gibt es eine starke Nachfrage nach Interieur und Outdoor-Artikeln. Durch Corona ist der Stellenwert des Zuhauses, des Balkons und Gartens weiter gewachsen. Das Zusammenleben mit meiner Frau und meinen beiden 5- und 9-jährigen Töchtern hat natürlich auch Einfluss auf die Ladengestaltung. Die Spielecke ist größer geworden und wir bieten vermehrt auch besondere Artikel so wie auch nachhaltige Bekleidung für Kinder an.

Ich mag die Abwechslung und auch die Überraschungen. Durch verschiedene Kontakte oder Freundschaften haben sich immer wieder neue Wege ergeben, die ich mir einige Jahre vorher gar nicht hätte vorstellen können.
Es macht mir große Freude, mit verschiedenen Menschen zusammenzuarbeiten und verschiedene Tätigkeitsfelder abzudecken. Ich mag die Selbständigkeit, weil ich dabei meinen Tagesablauf und meine Lebensplanung selbst bestimmen kann.  Ich kann mir nicht vorstellen, die nächsten 30 Jahre in einer Firma angestellt zu sein und mich nicht mehr zu verändern.
Meine Frau hat mich dabei immer unterstützt. Sie hat als Fachkrankenschwester für Notfallpflege  eine halbe Stelle in der Notaufnahme und arbeitet im 3-Schichtsystem. So konnten wir uns gut aufeinander einstellen und uns gegenseitig im Alltag unterstützen.

Meine Geschäftspartner und ich sind sehr unterschiedlich, sodass wir Aufgabenfelder wirklich abgeben können und uns auf unsere ureigenen Tätigkeitsbereiche konzentrieren können. Wir haben unterschiedliche Kompetenzen und suchen da das Match, um uns bestmöglich zu ergänzen. Ich genieße das Vertrauen, das sich über lange Zeit aufgebaut hat. Mir ist wichtig, meinen Geschäftspartnern mit Respekt zu begegnen. Wir ziehen am gleichen Strang und streben stetige Verbesserungen an, um die Arbeitsprozesse zu optimieren.

Während Corona war es plötzlich nicht mehr möglich, selbstbestimmt zu arbeiten.
Von einem Tag auf den anderen mussten wir den Laden schließen und wussten nicht, wann wir wieder öffnen konnten. Das war schwierig, aber es war ein gutes Gefühl, dass die Verluste in einem Bereich durch den anderen aufgefangen werden konnten: Vor der Pandemie hatten wir angefangen, unserem Online-Shop einen größeren Fokus zu geben, was uns geholfen hat .

Das Wild Wood musste während der Pandemie insgesamt ca. ein halbes Jahr geschlossen bleiben, die King Schulz Bar sogar noch länger. Ich habe in den letzten zwei Jahren mit einem Geschäftspartner den kompletten Markenrelaunch für die Hütt-Brauerei gemacht. Diese unterschiedlichen Standbeine funktionieren natürlich nur mit viel Unterstützung im Team: Wenn sich Tätigkeitsfelder verändern, muss der Prozess neu organisiert werden. Das funktioniert nur, indem Arbeit anders verteilt wird oder das Team vergrößert wird.

Unsere Kundinnen und Kunden haben uns in der Zeit, in der wir die Bestellungen selbst in Kassel ausgefahren haben und noch mal engeren Kontakt hatten, sehr unterstützt. Wir merkten, dass wir vielen an Herz gewachsen sind und sie sich für uns stark gemacht haben. Das hat uns geholfen, durch diese schwierige Zeit zu kommen.

Im Vorderen Westen gibt es einen schönen Mix an Geschäften und Gastronomie, der das Quartier belebt. Es gibt viele junge und ältere Kreative, die unser Angebot gut annehmen. Auch in der Bar merken wir, dass sich Gesellschaftsschichten und Altersgruppen mischen. Das war auch immer ein Anliegen von uns, jetzt nicht nur eine Bar für Studierende zu werden, sondern einen Austausch zwischen den Generationen und auch Gesellschaftsklassen zu ermöglichen. Seit mehreren Jahren organisieren wir das Quartierfest im Vorderen Westen und gemeinsam mit Kassel Marketing und der Stadt Kassel den „Goldenen Westen im Rosengarten“, ein kleines Quartierfest im Rahmen der Gartenkultur-Woche. Das Quartier entwickelt sich stetig weiter und wird in den nächsten Jahren sicher noch lebenswerter werden. Der Mix an Alteingesessenen und Leuten, die neu dazukommen aus allen Altersklassen, funktioniert und macht das Quartier so vielfältig.

Ich finde es gut, mutig zu sein und etwas Neues zu wagen! 2022 ist documenta-Jahr, in dem viele neue Projekte entstehen werden. Ich glaube, wir werden die Angebote in Kultur und Gastronomie nochmal mehr schätzen! Ich wünsche allen Leuten den Mut, Neues auszuprobieren. Auch als Bereicherung für den eigenen Lebensweg!

Aufgezeichnet von Gabriele Hennemuth
Foto: Fiona Sophie Körner

Weitere Gründerinnen aus der Kunsthochschule Kassel:
Produktdesignerin Susanne Wegerich: Vom Pop-Up zum Foodlab
Rita Fürstenau – die Illustratorin als Verlegerin

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